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Projekte an der AvH

Schreibwerkstatt
Seit zehn Jahren ermuntert Manfred Pöller zum Kreativen Schreiben. In Gedichten steckt harte Arbeit

Bianca Karger (25) heute Sekretärin des Kulturdezernenten, Karin Goger (21); Wetterkartengrafikerin bei WNI und Lucie Grimm(21), Auszubildende im Kochberuf, verbindet einiges, nämlich die Begeisterung für Kunst und Literatur. Und noch eines ist ihnen gemeinsam: die Teilnahme an der Schreibwerkstatt der Humboldt-Schule bei Lehrer Manfred Pöller, als sie noch zu deren Schülerinnen und Schülern zählten. Am Mittwoch, 12.03.03 feierte die Schreibwerkstatt ihr zehnjähriges Jubiläum.

Zum Fest kamen rund 60 ehemalige Schüler und Schreibbegeisterte – mehr als Manfred Pöller sich hätte träumen lassen. Sie kamen, um der Festgesellschaft Gedichte und Geschichten vorzutragen und aus Verbundenheit zum gemeinsamen Erlebnis in der Schule und in der Schreibwerkstatt. Denn der Lehrer hat mit der Schreibwerkstatt seine Schüler bewegt. „ Er zog uns magisch zur Literatur hin“, schwärmt die Altenpflegeschülerin Julia Zielinski (22) von ihrem Deutschlehrer „ Es war eine schöne Zeit“, erinnert sich Informationstechnikstudent Andreas Dünnwald (23); so schön sogar, dass er noch zum Workshop ging, als er die Schule schon verlassen hatte. Das Gedichteschreiben hat er seitdem beibehalten. Als Gegengewicht zum rein Rationalen, das das Studium ihm abverlangt. „Durch das kreative Schreiben wurde mein Interesse an Kunst und Theater gefördert“, sagt Bianca Karger. Sie ist Schauspielerin der Theatergruppe „Schon geseh’n“ und hat auch mit dem Schauspielberuf geliebäugelt.

In den letzten 10 Jahren haben rund 100 Schülerinnen und Schüler von der Arbeit in der Schreibwerkstatt profitiert und in 8 kleineren und größeren Broschüren wurden bis zu 500 Texte veröffentlicht. Maike Völker hat sogar bei der Buchmesse in Stockstadt erste Preise erhalten. In den ersten Jahren leitete die Autorin Christa Hein die Schüler an, seit 2001 ist Nevfel Cumart (aus Bamberg) neuer „Schulschreiber, der die Schule mindestens einmal im Jahr zu einem Schreibworkshop besucht, der in den Räumen des KIDIBu stattfindet. Dort arbeiten die jungen Autorinnen einen Tag konzentriert an neuen Textentwürfen, die später stilistisch überarbeitet werden. Nevfel Cumart gibt den Schülern gute Anregungen und Mut. „Manchmal ist das harte und konzentrierte Textarbeit am Detail“, weiß Pöller, der sich oft neben seine Schüler setzt und sie zum Formulieren ermuntert. „Dann muss der Text eben so oft verbessert werden, bis er stimmig ist!“ Literatur schwebt also nicht schwerelos aufs Papier, sondern es muss manchmal um jedes Wort gerungen werden.

Des Friedens Buchstaben
Freude, die mich elektrisiert.
Recht, das Freiheit gewährt.
Jubel, der mein Herz berührt.
Entfaltung, die den Sinn nicht verkehrt.
Demokratie, die das Land regiert.
Ereignis, das mein Leben verziert.

Moloud El Mokhtari

Manfred Pöller erzählt vom Schüleraustausch mit Recanati 1997, als die Schüler mit italienischen Gleichaltrigen Gedichte von Giacomo Leopardi spielerisch umschrieben und in Deutschland beim Gegenbesuch sich mit Georg Büchner beschäftigten, wobei sie sich u.a. kreativ mit der Erzählung „Lenz“ auseinandersetzten. Hier wurden Texte auch in Englisch und Italienisch verfasst. Im Sommer 2000 nahmen Schüler der Schreibwerkstatt am Comenius - Projekt „meetarts“ mit Gästen aus Recanati (Italien), Kecskemet (Ungarn)und Bodrum (Türkei). Im Schüleraustausch-Projekt mit Nancy in Frankreich wurde gemeinsames kreatives Schreiben in Französisch und Deutsch gefördert.

Eines wird klar: Schreiben verbindet die Menschen grenzüberschreitend und wo es nicht in einer gemeinsamen Sprache klappt, dichtet man eben auf Englisch. Angefangen wird oft mit den „Elfchen“: Aus elf Wörtern wird eine kleines Gedicht gefügt:

Abschied
Leise Tränen
Nicht gewollte Trennung
Stich mitten ins Herz
Vergangenheit

Weiter geht es zu längeren Gedichten oder Briefen und Kurz- oder Verwandlungsgeschichten

Wichtig ist, dass kreatives Schreiben nicht nur isoliert in der Schreib-AG stattfindet, sondern Elemente davon finden auch Eingang in den regulären Deutsch-Unterricht, wie z.B. Schreiben von Lesetagebüchern oder Elfchen-Gedichte.

Der Abend „10 Jahre Schreibwerkstatt und Kulturelle Praxis“ sollte eines verdeutlichen: „ Diese Schule ist kulturell lebendig und im Stadtteil verankert“, wie auch Direktor Löffel in seinen Grußworten besonders hervorhob. Die Verbindung von Texten und gestalterischer Kunst zeigte sich schon einmal, als Gedichte der Schreibwerkstatt von Schülern in großflächige Wandbilder umgesetzt wurden. In einer Ausstellung wurden Arbeiten eines WPU-Kurses zum Stadtteil Dicker Busch und Fotoportraits präsentiert, die in der Foto-AG der Schule entstanden waren.

Die Schüler Dennis Heckhausen und Sven Wagner umrahmten das Programm musikalisch und haben ein Gedicht aus der Schreibwerkstatt vertont und mit Gitarren- und Keyboard-Begleitung vorgetragen, wobei besonders Sven Wagners melodische Stimme aufhorchen ließ. Im Verlauf des Abends stellten die derzeitigen Mitglieder der Schreibwerkstatt ihre “neuen“ Texte vor, in denen es vor allem um das Leben in der multikulturellen Gesellschaft und die Frage nach der „Heimat“ ging. Geschichten über die eigene Lebenswelt „Mein Zimmer“ und Verwandlungsgeschichte rundeten das Programm ab, ehe im 2. Teil des Abends die ehemaligen Schülerinnen und Schüler ihre früheren Texte zum bersten gaben.

Manfred Pöller betonte, dass gerade die ästhetische Bildung in der heutigen Zeit, in der es nur noch um abtestbares Wissen zu gehen scheine, ein wichtiges Gegengewicht darstelle. Allgemeine Bildung sei eben mehr als nur Produktion von Menschenmaterial für die Arbeitswelt. Für die Persönlichkeitsentwicklung und die Ästhetische Wahrnehmung der jungen Menschen spiele das kreative Schreiben eine große Rolle. Yvonne, Lucie, Maike und Andreas waren nach der Veranstaltung so motiviert, dass sie noch in der Nacht weitere Gedichte schreiben mussten.

Die Veranstaltung „Schreibwerkstatt und Kulturelle Praxis an der Humboldt-Schule“ wird im Herbst mit dem Projekt „Kleine Wege“ – der Film fortgesetzt werden.

Manfred Pöller


Schreibwerkstatt